7. Dezember – Wintermond

Der Kleine Bär konnte nicht schlafen. Er lag nun schon lange mit offenen Augen in seinem Bettchen, und inzwischen war es dunkle Nacht geworden. Nur ein schmaler Lichtspalt fiel silbern wie ein Nebelstreif durchs Fenster ins Bärenkinderzimmer hinein. Dem Kleinen Bären fiel auf, wie schön der Mondschein doch war. Er hatte ihn noch nie so genau beobachten können, da er normalerweise des Nachts schlief. “Wie seltsam, dass die großen Bären so gerne von ihrer Freude sprechen, wenn die Sonne scheint”, dachte der Kleine Bär. “Vom wunderschönen Mondschein hat mir dagegen noch niemand erzählt.”

Ganz vorsichtig richtete sich der Kleine Bär auf, schlüpfte in seine Pantoffeln vor dem Bettchen und tapste leise zum Fenster. Dort schob er den Vorhang ein wenig zur Seite und hielt den Atem an, als er den Mond in seiner ganzen Schönheit vor sich sah. Fasziniert betrachtete der Kleine Bär die runde Scheibe am nächtlichen Winterhimmel und presste seine Nase an die Fensterscheibe. Obwohl der Mond hell strahlte, wurde der Kleine Bär nicht geblendet. Schon oft hatte er versucht, sich die Sonne genauer anzuschauen, aber da schmerzten ihm immer sofort die Augen. Ganz anders war das Licht des Mondes. Es beschien ihn so sanft, als wollte es ihn streicheln. Er blieb noch eine Weile am Fenster stehen, bis er merkte, dass ihn große Müdigkeit überfiel. Er schaffte es noch gerade bis in sein Bettchen und fiel auf der Stelle in tiefen Schlaf.

Der Mond hatte ihn so fasziniert, dass er ihn mit in seinen Traum nahm und nun vor seinen Augen sah. “Du bist so wunderschön, lieber Mond. Aber du bist so weit weg! Fühlst du dich denn nicht einsam, wenn du des Nachts so allein am Himmel stehst und alle schlafen?”, fragte der Kleine Bär den Mond.

Der lächelte ihn sanft an und antwortete: “Lieber Kleiner Bär, wie lieb, dass du wissen möchtest, wie es mir geht. Aber ich möchte dich beruhigen. So einsam bin ich hier oben gar nicht. Die vielen Sterne sind meine Freunde und umfunkeln mich gar lustig. Und dass ihr Bären nachts schlaft und mir wenig Unterhaltung bietet, das stört mich gar nicht. Ich genieße die Stille und Ruhe, die eure Welt dann umgibt. Über die Strahlen meines Mondlichts wandere ich manchmal in die Schlafstuben kleiner Bärenkinder und bringe ihnen sanfte Träume – so wie ich jetzt zu dir gekommen bin. Das ist eine schöne Aufgabe, die mich sehr glücklich macht, auch wenn niemand von euch mit mir redet. Meine Kollegin, die Sonne, muss den ganzen Tag lang mit ansehen, wie ihr Bären auf der Erde herumlauft, lacht und streitet, lärmt und Unsinn macht. Manchmal, wenn es ihr zu arg wird, kommen ihr die Wolken zu Hilfe und verstellen ihr die Sicht. Dann kann sie sich etwas ausruhen. Ich, der Mond, erlebe dagegen eine stille, friedliche Welt, die mir gefällt. Von meinem Platz am Himmel habe ich eine wunderbare Aussicht auf die Erde und kann alles sehen. Wie könnte mir da langweilig werden?”

“Aber bist du denn nicht eifersüchtig auf die Sonne, die immer alle Komplimente für ihren schönen Sonnenschein bekommt und du nicht?”, fragte der Kleine Bär den Mond.

“Nein, mein Kleiner Bär, Eifersucht kenne ich nicht. Ich bin doch nun einmal der Mond und werde nie Sonne sein. Warum sollte ich mich mit eifersüchtigen Gedanken quälen? Das täte mir nur weh und würde die Sonne beschämen. Außerdem erfülle ich meine Aufgaben als Mond sehr gerne. Es macht mir Freude, die Welt des Nachts in friedliches Licht zu hüllen, den Kleinen Bären süße Träume zu bringen und den Wanderern, die noch unterwegs sind, den rechten Weg zu leuchten. Ich weiß, dass ich wichtig und wertvoll bin und brauche keine Komplimente. Was wäre die Nacht, wenn es mich nicht gäbe?”, fragte der Mond.

“Ohne dich wäre die Nacht lange nicht so schön, großer Mond,” bestätigte der Kleine Bär.

“Siehst du? Und genauso ist es mit dir, Kleiner Bär. Du brauchst ebenfalls keine Komplimente – auch wenn es zugegebenermaßen manchmal schön ist, sie zu hören. Aber du musst wissen, dass du wichtig und wertvoll bist. Was wäre dieses Haus ohne dich? Da würde deiner Familie doch ein unendlich großes Stück Glück fehlen. Glaube nie, dass du weniger wichtig sein könntest als irgendein anderer Bär, der vielleicht mehr bestaunt wird als du. Denn du hast dein eigenes, wertvolles Leben, deine eigenen Gedanken, deine eigenen Aufgaben und dein eigenes Glück. Das gehört dir ganz allein, und wenn du damit zufrieden bist, dann wirst du glücklich sein. Liebe dich selbst, Kleiner Bär, mit all deinen Stärken und Schwächen und tu alles, was du tust, mit Freude! Das ist der Schlüssel zum Glück.”

Und nachdem der Mond dem Kleinen Bären das große Geheimnis des Glücks erklärt hatte, streichelte er ihn noch einmal sanft mit einem seiner silbernen Strahlen über das Köpfchen und eilte wieder zurück an den Himmel. Der Kleine Bär schlief immer noch tief und fest.

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