9. Dezember – Weihnachtsmarkt

Ausflüge auf den Weihnachts­markt gehörten für den Kleinen Bären zu den Glanz­lichtern der Weihnachtszeit. Und heute war es so weit. Von Papa Bär hatte der Kleine Bär drei Taler geschenkt bekommen, die er auf dem Weihnachts­markt würde ausgeben dürfen. Hurra, sogar für das nötige Taschengeld war gesorgt und er durfte damit machen, was er wollte! Der Kleine Bär jubelte und überlegte bereits fiebrig, was er mit dem Geld anfangen sollte. “Gib es einfach für die Sache aus, die du am aller­meisten willst”, sagte Papa Bär. Nach langem Hin- und Herüber­legen kam der Kleine Bär zu der Erkenntnis, dass er es gar nicht so leicht fand zu wissen, was er wollte. Zumindest wusste er nicht, welche Sache er am meisten wollte. Und auf dem Weihnachts­markt gab es ja so viele Dinge, die man wollen konnte …

Als der Kleine Bär an der Hand von Mama Bär auf dem Weihnachts­markt eintraf, grübelte er immer noch und konnte sich für nichts entscheiden. “Nun, mein Schatz, was möchtest du denn jetzt unter­nehmen?”, fragte ihn die Mutter mit liebe­voller Stimme. Der Kleine Bär schaute sich um. Von ihrem Stand­punkt aus gingen drei Gänge in unter­schied­liche Richtungen ab. Welchen Weg sollte er einschlagen? Er wusste doch gar nicht, wohin und was er am meisten wollte … Er sah nach links: hier reihte sich eine Spiel­zeugbude an die andere. Nikoläuse, Mario­netten, Dekora­tionen für den Christbaum, Musik­in­stru­mente, Fellpan­toffeln – hier gab es alles, wovon ein kleiner Bär nur träumen konnte. Nur für eine Sache entscheiden konnte er sich nicht. Da schaute er in den Gang geradeaus, vielleicht würde er hier finden, was er am meisten wollte. Beim Anblick der vielen Futter­krippen lief ihm sofort das Wasser im Munde zusammen: gebrannte Mandeln, Popkorn, rot glasierte Äpfel, schoko­über­zogene Bananen am Stiel, Bratwürste, Pommes frites, geröstete Maronen und Fisch­brötchen. Auch in dieser Gasse hätte er problemlos seine drei Taler loswerden können. Doch was wollte er am meisten davon? Er wusste es nicht und wandte seinen Blick deshalb der dritten Gasse zu: hier gab es nichts zu essen und nichts zu kaufen, sondern Karus­sells aller Art. Sogar sein Lieblings­ka­russell stand dort. Aber wollte er die Karus­sell­fahrt mehr als eine Bratwurst und mehr als ein Spielzeug? Oh je, nun musste er sich entscheiden und schaute ratlos unter seiner dicken Pudel­mütze hervor. Da sah er prompt in die Augen eines freund­lichen Nikolaus-Bären, der gar nicht weit vor ihm stand. “Na, kleiner Mann? Du siehst ja gar nicht glücklich aus!”, brummte der Nikolaus. Da antwortete ihm der Kleine Bär: “Ich will so viele Sachen, dass ich mich nicht entscheiden kann, was ich am meisten will. Kannst du mir helfen, es heraus­zu­finden, lieber Nikolaus?” Der große Bär hockte sich hinunter zum Kleinen Bären, so dass er ihm genau in die Augen schauen konnte. “Weißt du, Kleiner Bär, so wie dir, so geht es allen Bären auf der Welt. Alle wollen sehr viel, und dabei verliert man leicht den Blick für die wirklich wichtigen Dinge. Dinge, die man wirklich will. Was bedeutet dir schon ein weiteres Spielzeug in deinem vollen Kinder­zimmer? Und was ist schon ein Bratapfel, den du alleine isst? Und was bedeutet eine Karus­sell­fahrt, wenn du sie nicht mit jemandem teilen kannst? Alles ist so schnell wieder langweilig, weg oder einfach nur vorbei – und das Einzige, was bleibt, ist das Gefühl in deinem Herzen. Deshalb überlege dir jetzt, mein süßer Kleiner Bär, was von allem dir auch morgen noch ein gutes Gefühl geben wird und wovon du heute Nacht herrlich träumen kannst.”

Der Kleine Bär dachte über den Tipp des Nikolaus nach, der ihn mit so ehrlichen, großen Augen anschaute. Das war nicht einfach … Für den Augen­blick würden ihn so viele Dinge froh machen, aber was würde wirklich davon bleiben? Um dies heraus­zu­finden, dachte der Kleine Bär an die Situa­tionen, in denen er sich glücklich gefühlt hatte. Glücklich war er immer wieder dann, wenn er einen neuen Freund gefunden oder einem anderen Bären eine Freude gemacht hatte. Über das Bild beispiels­weise, das er Oma Bär vor kurzem gemalt hatte, hatte sie sich so sehr gefreut, dass der Kleine Bär zum Schluss selbst ganz stolz und glücklich war. Dagegen konnte er bei einem Stück Schokolade nun wirklich nicht von Glück sprechen – an das letzte konnte er sich schon gar nicht mehr erinnern.

Just in diesem Augen­blick sah der Kleine Bär ein kleines Bären­mädchen, das voller Sehnsucht all die schönen Dinge des Weihnachts­marktes bestaunte. An der ärmlichen Kleidung des Bären­mäd­chens konnte er erkennen, dass die Kleine sicher kein eigenes Geld auf dem Weihnachts­markt ausgeben konnte. In diesem Moment wusste der Kleine Bär, was er am meisten wollte: Dem kleinen Bären­mädchen eine Freude machen. Schnur­stracks eilte der Kleine Bär auf sie zu und lud sie ein, seine Taler mit ihm zusammen auszu­geben. “Such dir etwas aus. Was möchtest du am liebsten?” Mit leuch­tenden Augen antwortete sie: “Einmal im Leben Karussell fahren – ich bin noch nie Karussell gefahren.” Da nahm der Bären­junge das Bären­mädchen an der Hand und kaufte von seinem Geld zwei Karus­sell­fahrten. Gemeinsam fuhren sie mit dem Karussell und als der Kleine Bär das Lachen des Mädchens hörte und ihre fröhlich fliegenden Öhrchen sah, da wusste er, dass er das gefunden hatte, was er am meisten wollte. Und in der Nacht träumte er von der Freude, die er dem kleinen Bären­mädchen gemacht hatte. In diesem Traum spielte er mit seiner neuen Freundin, die er zum Lachen gebracht hatte – und erwachte am nächsten Tag mit einem wunder­baren Gefühl im Herzen. Und dieses gute Gefühl war das, was er am meisten in seinem Leben wollte.

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