Oma Bär hatte Opa Bär zum Einkaufen auf den Markt geschickt. „Und vergiss bloß nicht, mir einen Bund Mistelzweige mitzubringen!“, rief sie ihm hinterher, und Opa Bär winkte ihr zur Bestätigung noch einmal mit dem Einkaufskorb zu. Als sie sich wieder umdrehte und zurück in die Bärenstube gehen wollte, stand plötzlich der Kleine Bär vor ihr. Er hatte sich ganz leise herangeschlichen und jetzt wäre die alte Bärin fast über ihn gefallen. Da hatten die beiden aber noch einmal Glück gehabt!

„Was wollen wir denn mit Mistelzweigen, Oma Bär?“, fragte der Kleine Bär neugierig.

„Du weißt nicht, wozu man Mistelzweige braucht? Nun, damit schmückt man in der Adventszeit die Wohnung. Wenn man einen Bund Mistelzweige über die Tür hängt, dann dürfen sich die Leute, die sich darunter treffen, sogar küssen. Aber darüber hinaus sehen Mistelzweige auch sehr schön aus. Sie haben grüne Blätter und schmücken sich mit kleinen Kügelchen.“, erklärte Oma Bär, wonach sie sich wieder ihren Handarbeiten zuwendete und die Mistelzweige auf der Stelle vergaß – im Gegensatz zum Kleinen Bären. Er überlegte schon, über welche Türe er die Mistelzweige am liebsten hängen wollte. Vielleicht über seine eigene? Dann müsste ihm jeder, der sein Zimmer beträte, erst einmal ein Küsschen geben. Welch wunderbare Vorstellung! Aber eigentlich konnte er sich wirklich nicht beklagen, zu wenige Küsschen zu bekommen. Mama Bär, Papa Bär, Oma Bär, Opa Bär, die Geschwisterbären – alle schmusten gerne mit dem Kleinen Bären. Und eigentlich wollte er auch gar nicht noch mehr Küsschen haben, schließlich braucht man ab und zu auch mal seine Ruhe. Nein, er müsste jemanden finden, bei dem es sich so richtig lohnen würde, Mistelzweige über die Türe zu hängen. Er überlegte … und da kam ihm eine Idee.

Dem Kleinen Bären war aufgefallen, dass Mama Bär und Papa Bär sich in den letzten Tagen ziemlich oft anbrummten. Zu allen anderen, vor allem zu den Kinderbären, waren sie so lieb und freundlich wie immer. Doch miteinander gingen sie nicht so liebevoll um wie sonst. Ganz einfach – die beiden hatten ein bisschen Streit, den sie aber nicht offen austrugen. Da war der Kleine Bär als Friedensstifter gefragt – er wusste ohnehin, dass Mama und Papa sich nie lange stritten und dass es einfach sein würde, die beiden wieder zu versöhnen. „Die haben sich doch sooooo lieb“, kicherte der Kleine Bär in sich hinein und schmiedete einen Plan.

Er würde die Mistelzweige, die Opa Bär vom Markt mitbrächte, direkt über die Wohnzimmertüre hängen. Gesagt – getan. Als Opa Bär mit den Mistelzweigen vom Markt zurückkam, flüsterte der Kleine Bär ihm seinen Plan direkt ins Ohr. Flugs hob Opa Bär seinen kleinen Enkel so hoch, dass dieser die Mistelzweige über der Türe mühelos befestigen konnte. Dann weihten sie auch Oma Bär in ihren Plan ein, die sie natürlich unterstützen wollte.

Als Papa Bär am Abend von der Arbeit nach Hause kam, horchte der Kleine Bär beim Rasseln der Schlüssel auf. Jetzt musste alles perfekt funktionieren, er musste den genauen Zeitpunkt abwarten. Da Mama Bär sich lauthals mit Oma Bär unterhielt, hatte sie gar nicht gehört, dass Papa Bär im Begriff war, ins Haus zu kommen. Dann vernahm der Kleine Bär Schritte im Flur und rechnete damit, dass sein Papa nun gleich zur Wohnzimmertür hineinspazieren würde. Just in diesem Augenblick bat der Kleine Bär seine Mama, ihm schnell ein Glas Wasser zu holen, denn er hätte so schreckliche Bauchschmerzen. Dabei verzog er das Gesicht. Da sprang Mama Bär sofort auf und rannte in Richtung Küche. Genau unter dem Mistelzweig begegnete sie Papa Bär – und hätte ihn fast umgerannt. Da lachten der Kleine Bär und seine Großeltern laut auf und klatschen in die Tatzen: „Küs-sen! Küs-sen! Küs-sen! Küs-sen! Küs-sen!“, riefen sie so lange, bis die Eltern verstanden, dass sie auf liebevolle Weise reingelegt worden waren. Und dann mussten sie selbst lachen und gaben sich unter Beifall einen dicken, langen Kuss. Der Kleine Bär war sehr zufrieden und seine Bäreneltern mussten ihm versprechen, ab sofort wieder ganz lieb zueinander zu sein. Das versprachen sie ihm gerne und brachten ihn sogar gemeinsam ins Bettchen. Er bekam noch von beiden ein Küsschen, dann schlief er ein und träumte von unzähligen Mistelzweigen. Und unzähligen Küsschen.

Der Kleine Bär fragte sich, was Weihnachten bedeutete. Er konnte sich noch genau an das letzte Weihnachten erinnern. Die ganze Familie hatte sich am Heiligen Abend, dem 24. Dezember, versammelt. Alle hatten sich sehr schön gemacht und es gab viele Geschenke. Das ganze Haus duftete nach Zimt und Weihnachtsplätzchen. Besonders beeindruckt hatten ihn der bunt geschmückte Weihnachtsbaum und die vielen Kerzen.

Heute, am Nachmittag des 1. Dezembers, hatte ihm Oma Bär von Weihnachten erzählt. Sie sagte, dass nun die Adventszeit beginne und man sich nun mit jedem Tag ein wenig mehr auf Weihnachten freuen könne. Und da der Kleine Bär nun schon ein großer Kleiner Bär war, erzählte sie ihm die Weihnachtsgeschichte.

Der Kleine Bär hatte den Erzählungen von Oma Bär gespannt gelauscht. Nun konnte er endlich verstehen, warum sich jeder auf Weihnachten freute. Das Jesuskind war einst am 24. Dezember geboren worden und noch heute erinnerte man sich jedes Jahr mit ganz viel Liebe im Herzen an diesen glücklichen Tag. Oma Bär hatte Weihnachten deshalb auch das „Fest der Liebe“ genannt und von dem leuchtenden Stern erzählt, der über der kleinen Krippe in Bethlehem gestanden und der ganzen Welt die frohe Botschaft verkündet hatte. Sie sagte, dass alle sehr glücklich gewesen waren über das kleine Jesuskind. Jeder hatte gespürt, dass dieses Kind etwas ganz besonderes war. Und als das Jesuskind dann groß geworden war, hatte es sehr viel Gutes für die Menschen getan, die es alle liebte.

Der Kleine Bär konnte für den Rest des Tages an gar nichts anderes mehr denken, als an die Weihnachtsgeschichte.

Dann kam der Abend und der Kleine Bär ging frisch gebadet und mit geputzten Zähnen ins Bettchen. Und kaum war der Kleine Bär eingeschlafen, da schlüpfte ihm ein Traum zum Öhrchen hinein. Darin erinnerte sich der Kleine Bär an seine eigene Geburt, von der man ihm so viel erzählt hatte. Alle Tiere waren gekommen, um den kleinen, neugeborenen Kleinen Bären zu sehen, der in einer klaren Mondnacht zur Welt kam. Und alle fühlten, dass er ein ganz besonderes Bärchen war und alle hatten ihn sofort sehr lieb.

In den Augen seiner glücklichen Mama und seines stolzen Papas funkelten feuchte Sterne. Sie verkündeten der Welt von der großen Freude und Liebe zum Kleinen Bären – wie der Stern von Bethlehem. Der Kleine Bär erinnerte sich daran, wie seine Mami ihn im Arm gehalten und voller Liebe angeschaut hatte. Schon damals hatte er ihre Liebe gespürt und das Herzchen war ihm ganz warm geworden.

Als der Kleine Bär am nächsten Morgen aufwachte, konnte er sich an seinen Traum kaum noch erinnern, aber er hatte plötzlich begriffen, was das Fest der Liebe bedeutete. Mindestens so, wie er sich auf seinen eigenen Geburtstag freute, würde er sich nun auf das Weihnachtsfest freuen. Und weil das Jesuskind so viel Gutes getan hatte, nahm er sich fest vor, in der Adventszeit auch ganz viel Gutes zu tun.

Als er dies Oma Bär erzählte, schaute sie ihn ganz glücklich an und sagte ihm, er solle immer auf sein Herzchen hören. Der Kleine Bär lauschte ihren Worten. Er freute sich, weil auch die Oma Bär etwas ganz besonderes für ihn war und er ihre große Liebe spürte.