11. Dezember – Der Weihnachtsstern

Gut, dass nun wieder Ruhe im Haus ist.” Das sagte ausge­rechnet der Kleine Bär, der mit seinen Freunden sonst so wild im Haus herum­tollte, dass die Wände wackelten. Aber heute Nachmittag hatte Mama Bär selbst fünf Freun­dinnen zum Adventstee einge­laden. Der Kleine Bär hatte sich zu den laut plappernden Bären­damen gesellt, deren Gesprächs­in­halte ihn eigentlich gar nicht inter­es­sierten. Vielmehr übte der köstliche Kuchen, den Mama Bär gebacken hatte, große Anzie­hungs­kraft auf ihn aus. Niemand konnte so gut Kuchen backen wie seine Mama Bär. Selbst der weltbeste Kondi­torbär nicht. Denn wenn sich der Kleine Bär ihren Kuchen auf der Zunge zergehen ließ, dann schmeckte er nicht nur Zucker, Mehl und Butter, sondern die Liebe seiner Mama Bär zu ihm, dem Kleinen Bären. Das war die beste Backzutat – Liebe. Er wusste, dass Mama Bär am glück­lichsten war, wenn es ihrem Söhnchen besonders gut schmeckte. Und dann machte es ihn glücklich, Mama Bär so glücklich zu sehen.

In Kuchen­glück schwelgend träumte der Kleine Bär vor sich hin und hörte den Damen­klatsch gar nicht mehr. Beim dritten Stück fiel sein Blick auf eine Pflanze mit großen roten Blüten­blättern, die eine der Freun­dinnen als Gastge­schenk mitge­bracht hatte. Eine so schöne rote Blume hatte er schon lange nicht mehr gesehen – schließlich war Winter und der Herbst hatte schon lange die sommer­liche Blumen­pracht weggefegt. “Pst!”, flüsterte da jemand. “Pst, Kleiner Bär!” Der Kleine Bär ließ ganz verdutzt von seinem Kuchen­stück ab und schaute auf die Blume. “Pst!”, flüsterte sie wieder. “Ich kann jetzt nicht mit dir reden. Ein Weihnachts­stern kann nicht reden. Wenn du dich mit mir unter­halten möchtest, dann träume heute Nacht von mir.” Der Kleine Bär stand entgeistert vor der rotblätt­rigen Pflanze und rief: “Wie? Was? Wo? Hallo!?” Doch im nächsten Augen­blick war es ganz still. Die Bären­damen guckten ihn alle entgeistert an, als hätten sie ein Gespenst gesehen. “Ich dachte, der Weihnachts­stern hätte etwas zu mir gesagt …”. Da lachten sie alle laut und sagten: “Solch ein Unsinn. Pflanzen können doch nicht sprechen. Kinder, Kinder … ha, ha, ha!” Der Kleine Bär mochte es überhaupt nicht, von diesen altklugen Bärinnen ausge­lacht zu werden. Aber bevor er wütend wurde, sagte er sich, dass sie die zarte Stimme des Weihnachts­sterns vielleicht gar nicht hören konnten. Mögli­cher­weise wollte die Pflanze ja wirklich auch nur mit IHM sprechen. Da erinnerte er sich: Er sollte sich heute Nacht im Traum mit ihr unter­halten, hatte sie gesagt.

Und so kam es. Des Nachts – das Bärenhaus war wieder in fried­liche Ruhe einge­hüllt – träumte der Kleine Bär von dem Weihnachts­stern. “Lieber Kleiner Bär”, sagte die Blume, “ich suche einen Freund, der mir seine Liebe schenkt. Als ich in euer Haus kam, habe ich direkt gespürt, dass du ein goldenes Herz hast und mich verstehen kannst.” Der Kleine Bär freute sich. Gerne wollte er den Weihnachts­stern zum Freund haben. “Ich möchte, dass es dir bei uns gut geht, lieber Weihnachts­stern”, sagte er. “Was kann ich für dich tun?”

Da antwortete ihm die Pflanze: “Deine Mama Bär wird mich bestimmt jeden Tag mit Wasser und Dünger versorgen. Damit ich aber groß und schön gedeihe, brauche ich auch Liebe. Sei einfach mein Freund und besuche mich des Öfteren an meinem Platz auf dem Fenster­brett. Dann bin ich nicht so allein und fühle mich zudem stolz, dir meine üppigen roten Blüten­blätter zu zeigen.” Dieses Versprechen gab der Kleine Bär mit Freude.

Von da an ging er nie ohne einen zärtlichen Blick an dem Weihnachts­stern vorbei, setzte sich so oft er konnte zu ihm und genoss seine Schönheit. Außerdem sprachen sie nachts in den Träumen des Kleinen Bären miteinander.

Mama Bär wunderte sich zunächst, wie ruhig und andächtig ihr kleiner, verspielter Bärensohn immer wieder vor der Pflanze saß. Doch sie wusste, dass der Kleine Bär ein ganz beson­derer Bär war. Und sie spürte, dass es sowohl ihm als auch der Pflanze sehr gut ging. Denn auch sie wusste, dass – egal ob Bär oder Pflanze – Liebe genauso wichtig zum Groß- und Kräftig­werden war wie Essen und Trinken.

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