15. Dezember – Seifenblasen

Beim nachmittäglichen Spaziergang an der Tatze von Opa Bär hatte der Kleine Bär einen Nikolaus-Bären kennengelernt. Dieser kleine, als Weihnachtsmann verkleidete Bär war ganz anders als die vielen anderen Nikolaus-Bären, die vor den Läden geschäftig auf und ab gingen und Glocken schwingend zum Kauf irgendwelcher Weihnachtsgeschenke einluden.

Nein, dieser kleine Weihnachtsbär saß träumend auf einer Bank und pustete Seifenblasen in die winterliche Luft. Geschenke, glitzernde Girlanden und üppig geschmückte Tannenbäume schienen ihn genauso wenig zu interessieren wie all die anderen Bären, die hektisch um ihn herumwuselten. Er hatte nur Augen für die Schönheit seiner Seifenblasen und strahlte dabei eine wunderbare Ruhe aus.

Der Kleine Bär ließ sich von der ruhigen Stimmung des Weihnachtsbärchens gefangen nehmen und blieb vor ihm stehen. Bewundernd hob er den Blick auf die schwebenden Seifenblasen, die zuerst lustig tanzten, dann lautlos zerplatzten und wieder durch neue ersetzt wurden. Opa Bär hatte nichts dagegen, ein wenig zu verschnaufen und setzte sich neben den kleinen Weihnachtsbären auf die Bank.

Bevor die Seifenblasen den Kleinen Bären völlig zum Träumen brachten, sprach er das Weihnachtsbärchen an: “Guten Abend, Nikolaus! Deine Seifenblasen sind wunderschön! Ich staune nur, dass du in diesen Tagen so viel Zeit hast, Seifenblasen zu pusten. Hast du denn nicht alle Tatzen voll zu tun, um die vielen Weihnachtsgeschenke auszuliefern?”

Das Weihnachtsbärchen schaute den Kleinen Bären erstaunt an. Er bat ihn mit einer Tatzenbewegung, sich zu ihm und Opa Bär auf das Bänkchen zu setzen. Dann erklärte er dem Kleinen Bären, warum er hier saß und in aller Seelenruhe Seifenblasen in die Adventsluft pustete: “Mit meinem Seifenblasenspiel bringe ich den großen und kleinen Bären genau das, was sie sich am meisten zu Weihnachten wünschen: Schönheit und Ruhe! Schau dir doch einmal genau die Seifenblasen an. Sie sind perfekt gerundet, schimmern wunderschön in allen Farben und reflektieren das Licht mit fröhlichem Glitzern. Keine Weihnachtskugel kann von solch perfekter Schönheit sein wie eine Seifenblase.”

“Das stimmt”, sagte der Kleine Bär, “so habe ich mir das noch nie überlegt, aber du hast wirklich recht. Doch der Nachteil an Seifenblasen gegenüber Christbaumkugeln ist, dass sie schon nach wenigen Sekunden kaputtgehen. Man kann sie einfach nicht festhalten.”

Das Weihnachtsbärchen musste nicht lange nachdenken und erklärte: “Die schönen Dinge im Leben muss man auch nicht unbedingt für immer festhalten wollen. Du musst sie in dem Augenblick genießen, in denen du sie erlebst. Wenn du das kannst, dann bist du ein glücklicher Kleiner Bär! Denn Seifenblasen sind wie Träume – sie schweben eben noch deutlich und klar vor dir und plötzlich zerplatzen sie. Trotzdem ist es schön zu träumen. Jeder Mensch sollte Träume haben, auch solche, die nichts mit dem wirklichen Leben zu tun haben. Wenn du aufwachst, sind deine Träume zwar weg wie zerplatzte Seifenblasen. Aber es bleibt die Erinnerung an etwas Wunderschönes und ein herrliches, ruhiges Gefühl im Herzen. Dieses Gefühl nenne ich Glück.”

Opa Bär hätte am liebsten Beifall geklatscht, denn in seinen Augen war das Weihnachtsbärchen ein sehr kluges Bärchen. Alles, was das Weihnachtsbärchen seinem Enkelchen über die Momente des Träumens und des Glücks gesagt hatte, fand Opa Bär richtig. Aber der kleine Weihnachtsbär war noch nicht fertig mit seinen Erklärungen. “Und deshalb bringe ich den Bären zu Weihnachten keine teuren Geschenke, sondern bringe ihnen mit meinen Seifenblasen Ruhe und die Freude des Augenblicks. Wer sein Leben zu genießen weiß, der wird sich über mein Geschenk freuen. Vielleicht träumt ja sogar mal jemand von mir, wer weiß? Das wäre mir als Weihnachtsbärchen schon Verdienst genug.”

“Das werde ich heute Nacht auf jeden Fall tun!”, versprach der Kleine Bär, der immer noch träumend den lieblichen Seifenblasen nachschaute. “Ich werde heute Nacht ganz bestimmt von dir und deinen wunderschönen Seifenblasen träumen.”

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