19. Dezember – Weihnachtslieder

Nun ist es wirklich an der Zeit, noch einmal alle Weihnachts­lieder zu üben, damit wir an Heilig­abend herrlich singen können”, sagte Oma Bär. In ihrer Freizeit leitete sie einen Kinderbären-Chor. Und dass der Kleine Bär in dieser Gruppe mitsang, war für ihn Ehrensache.

Eigentlich fand er seine Stimme gar nicht schön, deshalb bewegte er beim ersten Lied “O Tannenbaum” nur sein Schnäuzchen zur Musik. Es fiel gar nicht auf, dass er nicht mitsang, aber Spaß machte ihm das im Grunde auch nicht. Die anderen Bärchen gaben derweil ihr Bestes, lasen den Text von Blättern, die sie in ihren Tatzen hielten, ab und setzten einen wichtigen und angestrengten Gesichts­aus­druck auf.

Beim nächsten Lied “O du fröhliche” wollte der Kleine Bär nun seine Scheu überwinden und mitsingen. Doch als er nach Luft schnappte, um die erste Strophe zu singen, verschluckte er sich so kräftig, dass er bis zum Ende des Lieds husten musste. Das Nachbar­bärchen klopfte ihm mit der Tatze so lange auf den Rücken, bis es ihm wieder gut ging.

Endlich war die Gesangs­stunde vorbei und der Kleine Bär verließ den Raum, ohne nur eine Strophe gesungen zu haben. “Singen ist so schön, aber ich traue mich mit meiner Brumm­bä­ren­stimme einfach nicht”, dachte der Kleine Bär. Oma Bär hatte nichts gemerkt. Sie nahm ihn ans Tätzchen, lobte ihn für seinen wunder­schönen Gesang und ging mit ihm nach Hause.

In dieser Nacht träumte der Kleine Bär von seiner Chorstunde. Er hatte sich vorge­nommen, sämtliche Tonlagen auszu­pro­bieren. Vielleicht würde es ihm ja gelingen, wirklich schön zu singen … Er stellte sich zu den Bären­mädchen, denn er hatte vor, besonders hoch zu singen. Beim Lied “Schnee­flöckchen Weißröckchen” erklang seine Stimme so hell und rein, dass ihn die anderen zunächst für ein Mädchen hielten. Und an der Stelle, an der die Noten die Noten­leiter sehr weit hinauf kletterten, wurde seine Stimme so stechend hell, dass plötzlich eine Fenster­scheibe zersprang. Klirrr! Da wusste der Kleine Bär, dass er keine Sopran­stimme hatte und verließ seinen Platz. Die anderen Bärchen hielten sich immer noch die schmer­zenden Ohren zu und guckten ganz verschreckt auf die Glasscherben.

Nun ordnete sich der Kleine Bär in die Reihe der größeren Bären ein, die schon fast richtige Bären­männer waren. Oma Bär stimmte das Lied “Leise rieselt der Schnee” an. Der Kleine Bär zog die Augen­brauen zusammen, schürzte die Lippen und legte los. Er war selbst erstaunt, wie tief er brummen konnte. Er brummte und brummte, bis die hölzerne Türe in zwei Teile ausein­ander fiel. Er hatte das Holz mit seiner Brumm­stimme tatsächlich in der Mitte durch­gesägt. Oma Bär war entsetzt und fragte in die Menge: “Wer brummt denn da so schrecklich, dass er gleich die Balken durchsägt?”

Der Kleine Bär erwachte schweiß­ge­badet aus seinem Traum. Wie schrecklich der gewesen war! Da spürte er Mama Bärs liebe Hand auf seinem Köpfchen und vernahm ihren wohligen Mama-Geruch. “Kleiner Bär, mein Schatz! Du träumst ja schlimmes Zeug!”, sagte Mama Bär mit leiser Stimme. Im Schlaf hatte er gesprochen und ihr seinen Traum erzählt. Schnell setzte sich der Kleine Bär im Bett auf, kuschelte sich ganz fest an seine Mama und ließ sich drücken und küssen. “Du musst doch deine Stimme gar nicht verstellen! Der liebe Gott hat dir doch solch ein wunder­bares Bären­stimmchen gegeben, so dass du das gar nicht nötig hast. Du bist du. Und du hast eine Stimme, die gut zu dir passt. Und wir alle, die dich lieb haben, hören dich gerne singen. Es kommt gar nicht darauf an, dass du perfekt singst – es kommt darauf an, dass es dir Spass macht!”

Da lehnte sich der Kleine Bär getröstet in sein Kissen zurück. Spaß haben? Das war für den fröhlichen Bären­jungen grund­sätzlich nicht schwer. Und wenn er sich nun keine Sorgen mehr um seine Stimme machen musste, dann konnte er sich ja wieder auf den Chor freuen. Er würde beim nächsten Treffen richtig mit seiner eigenen Stimme mitsingen – er war nun einmal so, wie er war, und er fand sich eigentlich gar nicht so schlecht!

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